Montag, 3. Juli 2017

State dependent memory - in einem bestimmten Zustand sehe ich die Welt auf eine bestimmte Art und Weise

Immer wieder wird von der Auslastung des Hundes gesprochen. Dabei spiegelt dieser Satz eher die Situation vieler Menschen wieder, die von Unruhe geplagt, keine Minute mehr zur Ruhe kommen. Warum ist es für viele so schwer, zur Ruhe zu kommen?

Eigentlich ganz einfach: Wenn unser Körper eine bestimmte innere Erregung wahrnimmt, fängt unser Alarmzentrum - die Amygdala - an zu senden, d.h. sie sucht nach einem Grund für diese Erregung. 




Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder wir suchen im Inneren nach einem Grund, was ziemlich verrückt wäre oder im Außen. Und das Gehirn wird im Außen immer einen Grund finden und blitzschnell reagieren!

Einen Unterschied gibt es erst wieder, wenn ich es schaffe, eine Pause zwischen Reiz und Reaktion zu machen. Ich habe sozusagen wieder eine Wahl. 

Auch viele Hunde sitzen aus unterschiedlichen Gründen in der Übererregung fest, schlafen schlechter und deutlich zu wenig. Woran liegt das?

Der Körper unterscheidet nicht zwischen negativem und positivem Stress. Jeder Körper hat nur eine unterschiedliche Toleranzgrenze, die besonders in den ersten Lebensmonaten erweitert werden sollte. Das heißt, dass ein Hund lernen sollte, seinen Körper in den unterschiedlichsten Situationen zu regulieren. Das geht aber nur, wenn ein Ereignis nicht überwältigend ist. 

Sollte ein Hund isoliert aufwachsen oder mit Situationen konfrontiert werden, die das Toleranzfenster sprengen, so führt das nicht zu einer Erweiterung der Toleranz, sondern zu einer Dysregulation des Nervensystems.  

Symptome sind dann nur die Spitze des Eisberges, d.h. wenn ein Symptom vermeintlich weg ist, tritt ein neues Problem auf. 



Daher sollte man nicht den einzelnen Problemen folgen, sondern sich angucken was darunter liegt. In der Regel basieren die meisten Probleme auf einer chronischen Dysregulation. Viele Hunde können sich selber gar nicht mehr spüren, da sie zu aufgeregt sind - sie sind sozusagen ihren eigenen Emotionen ausgeliefert, und es gibt keine Pause mehr zwischen Reiz und Reaktion. Einige Hunde rennen unkontrolliert hin und her, jagen evt. sogar alles, was sich bewegt von Radfahren, Zügen, Autos über Blätter und Schatten oder bellen unaufhörlich.

Möchten wir jedoch einen Hund, der eine Pause zwischen Reiz und Reaktion macht, sich in seiner Umwelt orientiert und mit Alltagssituationen gut zurecht kommt, sollten wir darauf achten, dass Hunde sich selber trotz auftretender Reize regulieren und beruhigen können. So können wir sie auch jederzeit gut abrufen.

Bringe ich einen Welpen oft in Situationen, die übererregend sind, sei es durch Situationen wie, zu viele Hunde auf einmal, zu viele Menschen, zu viel Straßenverkehr, zuviel, zu schnell, zu laut, zu überwältigend usw. oder auch durch Spiele, die Adrenalinkicks verursachen wie Ball-, Renn- und Zerrspiele, so wird das Nervensystem auch später ständig auf der Hut sein. Daher reagiert der Hund später auch auf Dinge, auf die man nicht reagieren müsste, nur weil die Neurozeption eine grobe Übereinstimmung gefunden hat zwischen einem alten Reiz und einem momentan entstehen Reiz. 

Das Stammhirn leitet sofort die Reaktion ein und man hat kaum eine Kontrolle über die Situation, da der ältere Hirnteil alle anderen Hirnteile übernimmt. Der Neokortex ist für die Kommunikation zuständig, da jedoch das Stammhirn jetzt seinen Job macht, sind Kommandos, Strafen oder Belohnungen irrelevant und nutzlos, denn das Stammhirn stellt sich nur noch auf das Überleben mit Flucht, Kampf oder Totstellen ein.




Will man einen ruhigen, souveränen Hund, der sich den Situationen angemessen verhalten kann, so sollte man darauf achten, nicht durch Handlungen, die die Amygdala in Alarmbereitschaft setzen, einen Hund so in Aufregung zu versetzen, dass er meint auf alles in seiner Umwelt reagieren zu müssen. 

Ein Hund kann sich sehr freuen, ohne aufgeregt zu sein. Wobei ein Hund auch aufgeregt sein kann, weil er z.B. Angst hat. Mal von vielen Verhaltensweisen abgesehen, die ein Hund tut, wenn er aufgeregt ist, z.B. hochspringen, bellen, vermehrtes Jagen usw. , so kann eine Fehlinterpretation der Gefühle - ein Hund ist eigentlich aufgeregt, weil er Angst hat und man denkt, dass er aufgeregt ist, weil er sich so freut - erhebliche Auswirkungen auf sein späteres Verhalten haben, denn die Reaktionen werden daraufhin unterschiedlich ausfallen.

Von Natur aus verschwenden Hunde keine Energie. Aufregung wird mit Beute oder Bedrohung assoziiert, Freund oder Feind, Gefahr oder Entspannung. Ich kann also mit künstlich verursachter Aufregung einen Hund in einen Zustand versetzen, und somit unerwünschtes Verhalten auslösen. 

State dependent memory wird es in der Psychologie genannt, wenn ich in einem Zustand die Welt auf eine bestimmte Art und Weise sehe. D.h. wenn ich wütend bin, erinnere ich mich mehr an Situationen, in denen ich auch wütend war. Alles was ich in einem bestimmten Moment gerochen, berührt, gehört habe und wie ich mich in bestimmten Situationen gefühlt habe ist in meinem Körper gespeichert. So kann ein Geräusch einen Hund auch wie in eine Art Silvesterangst bringen, eine dunkle Wolke eine Gewitterangst hervorrufen, ein Rennspiel eine Jagd auslösen, ein Leinenruck eine Aggression heraufbeschwören usw.

Deswegen ist es nicht nur wichtig, was ich alles mit meinem Hund unternehme oder auch nicht unternehme, sondern es ist wichtig zu beobachten, wie mein Hund in bestimmten Situationen reagiert. Welche Assoziationen ich mit bestimmten Handlungen auslöse. Viele Hunde werden durch Hetz- und Rennspiele zwar völlig ausgepowert und erschöpft, aber dennoch mehr für's Jagen angeheizt, denn die Reizschwelle wird herabgesetzt und das Hirn bereitgemacht...für was auch immer.

Dies Alles wird unbewusst gesteuert, beim Menschen und beim Hund. Daher kann ich diese Areale im Hirn auch nicht bewusst trainieren. Diese Probleme sind hausgemacht und leicht zu vermeiden. Leben lässt sich eben nicht trainieren und auch nicht kontrollieren. Aber ein harmonisches Miteinander ist immer möglich.

Mit hunde-freundlichen Grüßen, Stephanie Küster

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen