Sonntag, 25. September 2016

IMPULSKONTROLLE - Die Ruhe vor dem Sturm...

Jeder Hund sollte lernen, gewisse Regeln einzuhalten, denn ein harmonisches Leben in einer Gruppe ist ohne Regeln undenkbar. Gesunde Strukturen geben Hunden sogar Sicherheit, und sie fühlen sich wohl. Ist niemand da, der Ordnung in den Tagesablauf bringt, wird der Hund selbst versuchen, irgendwie Ruhe und Ordnung rein zu bringen, womit er jedoch in der Welt seines Menschen naturgemäß völlig überfordert ist. 

Kommt ein Hund in unser Zuhause, sollten wir von Anfang an einen Plan haben, was uns im Zusammenleben mit unserem Hund wichtig ist. Oberste Priorität sollte natürlich sein, dass ein Hund niemals sich und andere gefährdet! 

Wichtig ist hierbei, sich nicht auf Kommandos zu versteifen. Denn das würde zum einen bedeuten, dass wir den Reiz immer vor dem Hund wahrnehmen müssten und zum anderen, dass ein Hund viel Aufmerksamkeit für Situationen bekommt, die eigentlich normal sein sollten. Ziel sollte es sein, dass ein Hund Alltagssituationen so kennen lernen kann, so dass kaum noch Kommandos nötig sind. 

Daher sollte man Training nicht mit guter Erziehung verwechseln. 

Verlange ich z.B. von einem Hund, in jeder Situation das Kommando "Sitz", so mache ich den Hund zum Objekt menschlicher Erziehungsmaßnahmen, was die Verbindung zwischen Mensch und Hund unterbricht. Und dies aktiviert im Hirn die gleichen Netzwerke, als ob richtige Schmerzen zugefügt werden. "Prof. Dr. Gerald Hüther" 

Der Mensch ist dann nur noch damit beschäftigt, wie er den Hund kontrollieren kann und der Hund, wie er am besten aus der Nummer raus kommt oder aufgibt. Dabei sind Hunde durchaus in der Lage, selbständig friedliche Lösungen zu finden, so dass es für alle Beteiligten angenehm ist. 

Wenn ich nur darauf bedacht bin, ein bestimmtes Kommando durchzuführen, würde das bedeuten, dass die Gefühle eines Hundes kaum Beachtung finden. Dabei wäre es viel sinnvoller, seinen Hund erst einmal so gut wie möglich kennen zu lernen und zu gucken,welche Handlungen ein Hund von sich aus anbietet. Hunde kooperieren sehr gerne mit uns Menschen, denn nur aus diesem Grund haben sie sich freiwillig dem Menschen angenähert.

Der einzige Grund, warum Hunde nicht mehr mit uns kooperieren wollen liegt daran, dass sie zu lange kooperiert haben, aber ein emotionales Grundbedürfnis nicht erfüllt wurde oder lange Zeit Bedürfnisse zurückgestellt werden mussten. Dadurch können sich Gefühle anstauen, die sich dann meist auf einen auftretenden äußeren Reiz entladen. 

"Von einer Störung der Impulskontrolle spricht man, wenn ein Individuum unter einem unangenehmen Anspannungszustand leidet und diesen mit einem impulsiven Verhalten auflöst. Diese impulsiv ausgeführte Handlung führt zu einem kurzzeitigen Nachlassen der Anspannung."

Bevor man also mit irgendeiner Form des Trainings beginnt, sollte man seinen Hund kennen lernen, heraus finden, warum ein Hund unter Anspannung leidet, Lösungen suchen, und seinem Hund zeigen, dass er uns vertrauen und sich auf uns verlassen kann.

Impulskontrolle bedeutet nicht, jemanden absichtlich zu provozieren, um dann zu erwarten, dass er seine Gefühle kontrolliert. Das ist schlichtweg gemein und fördert nur noch mehr zu Stress und Frust. Kommandos sollten dazu da sein, einem Hund aus einer Situation heraus zu helfen und nicht, um ihn in eine für ihn unangenehme Situation hineinzubringen. 

Gerade junge Hunde sind oftmals so fasziniert von etwas, oder in der Pubertät durch die Umstruckturierung des Gehirns mit sich selber beschäftigt, dass man in dieser Zeit einfach nur gute Management Maßnahmen benötigt, um entspannt und sicher durch den Alltag zu kommen. 

Der Neurobiologe Bruce D. Perry machte die Beobachtung, dass Stress auslösende Erfahrungen - vor allem, wenn sie in frühen Jahren auftreten- das Gehirn von Jungtieren verändern können. Zahlreiche Tierstudien erbrachten Nachweise dafür, dass selbst scheinbar geringfügiger Stress in frühen Jahren einen dauerhaften Einfluss auf die Architektur und Chemie des Gehirns, und damit auf das Verhalten, ausübt.

Es hat oftmals den Anschein, dass Hundetraining dazu beiträgt, Verhalten zu verändern, aber oftmals werden nur unerwünschte Verhaltensweisen besser umgangen oder Impulse kontrolliert, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Dies geht in der Regel so lange gut, solange der Mensch mit seiner vollen Aufmerksamkeit dabei ist, um rechtzeitig zu reagieren. Mit Vertrauen und freundlich erlernten Verhalten hat das jedoch überhaupt nichts zu tun.

Hunde sind hoch empathische Wesen, die mit ihrer Bezugsperson emotional eng verbunden sind. 


Verändern wir uns, ändert sich auch der Hund! 


Mit hunde-freundlichen Grüßen, Stephanie Küster


Freitag, 2. September 2016

10 Merkmale, dass ein Hund traumatisiert sein kann

Die Anzahl der traumatisierten Hunde steigt Jahr für Jahr, aber da wir oftmals mehr mit den Zielen unserer Umwelt konfrontiert sind, in der ein Hund einfach nur zu funktionieren hat, wird es schnell übersehen. 

Die meisten Menschen denken bei Trauma immer daran, dass etwas ganz Schreckliches passiert sein muss. Mittlerweile weiß man jedoch, dass ein Trauma auch viel subtiler ausgelöst werden kann, z.B. durch andauernden Stress, besonders in den ersten 6 Monaten nach der Geburt. Denn ein "Trauma entsteht im Nervensystem und nicht im Ereignis" wie Peter Levine sagt. 


Jedes System reguliert sich anders. Wenn jedoch Energie bereit gestellt wird, die der Körper nicht verarbeiten kann, bleibt diese Energie im Nervensystem hängen, auch wenn das Ereignis vorbei ist. Diese hohe Energie führt zu weiteren körperlichen und psychischen Symptomen beim Hund, unter anderem z.B.:
    1. kommt schwer zur Ruhe, Hyperaktivität
    2. schläft nicht tief und fest
    3. sehr schreckhaft
    4. dissoziiert (reagiert nicht auf Reize)
    5. kein Interesse an der Umwelt
    6. beschwichtigt, ohne erkennbaren Grund
    7. reagiert über in bestimmten Situationen
    8. braucht länger, sich nach aufregenden Ereignissen zu regulieren
    9. hohe Krankheitsrate (Allergien, Durchfall, Hautprobleme, übermäßiger Parasitenbefall, wiederkehrende Entzündungen, Schilddrüsenprobleme)
    10. kann trotz richtigem Training nicht alleine bleiben oder im Training hat man das Gefühl, immer wieder von vorne anfangen zu müssen
Das Ziel sollte sein, dem Hund neue Fähigkeiten zu vermitteln, damit der Hund auf neue Handlungsmöglichkeiten zurückgreifen kann. Der Hund sollte sich wieder selber spüren und regulieren können, damit er wieder mit anderen Lebewesen auf freundliche Art und Weise in Kontakt treten kann, ohne die eigenen Grenzen aufgeben zu müssen. Denn Trauma ist immer eine Verletzung von Grenzen gewesen.

Es sollte niemals nur darum gehen, Ängste zu unterdrücken oder andere Symptome zu reduzieren. Sondern letztendlich sollte die Schockenergie den Körper verlassen, und dem Hund zu neuer Lebensfreude und gesunder Energie verhelfen. Mit Konditionierungen und vielen anderen Trainings kommt man hier nicht weiter, dazu bedarf es wesentlich mehr.

Trauma ist keine Krankheit, sondern eine Bewusstseinsstörung!

Da ein Hund im Gegensatz zum Menschen nicht über Glaubenssätze und Überzeugungen nachdenkt, sowie mit einem Ego konfrontiert ist, ist es auf der einen Seite viel leichter ein Trauma aufzulösen, auf der anderen Seite versteht der Hund nicht so recht, warum wir was mit ihm tun, was einiges wiederum erschwert. 

Was ein Hund jedoch braucht, um eine Angst integrieren zu können, ist jemand, dem er vertraut, ihnen Sicherheit gibt und der imstande ist, sich so in den Hund einzufühlen, dass neue neurologische Muster entstehen können. Dabei leiht die Bezugsperson dem Hund sozusagen sein eigenes Nervensystem, bis der Hund sich wieder selbständig regulieren kann. 

Hunde spüren jede noch so kleine Regung ihrer Bezugsperson. Sollte ich also selber Angst in der Situation haben oder mich selber unwohl fühlen, so wird es für einen Hund, der diesbezüglich auch Probleme hat, quasi unmöglich, eine neue positive Erfahrung zu machen. 


Leckerchen, Clicker und Co. können die aktuelle Situation ein wenig entspannen (Management Maßnahmen), jedoch wird keine wirkliche Heilung stattfinden. Das lässt sich leicht beweisen, da jede weitere Begegnung immer wie eine Art Glücksspiel abläuft. Menschen und/oder Hunde werden angewiesen, sich so oder so zu verhalten, oder der Hund muss durch Signale immer wieder unterstützt werden, so dass es nicht zu einer unerwünschten Verhaltensweise kommt.  

Woran man eine Traumatisierung nicht erkennen kann, ist am Ereignis, denn jeder verarbeitet Dinge anders, und was den einen erschüttert, berührt jemanden anders überhaupt nicht.

Woran erkenne ich, dass ein Trauma vom Hund integriert worden ist, z.B.:
  • keine Dissoziation mehr, Hund ist ansprechbar, nimmt seine Umwelt war und interessiert sich auch neugierig dafür
  • der Hund kommt mit Veränderungen gut zurecht, während der traumatisierte Hund schon mit Möbel umstellen in der gewohnten Umgebung überfordert sein kann oder mit der Veränderung der Fütterungszeiten
  • adäquates Verhalten, kein plötzliches Aggressionsverhalten oder panische Fluchtversuche
  • der Hund kommt nach Befriedigung seiner Grundbedürfnisse schnell zur Ruhe und schläft 
  • der Hund fühlt sich mit seinen Menschen sicher und kann auch nach angemessener Zeit gut alleine bleiben
Auf keinen Fall sollte man den traumatisierten Hunden immer und immer wieder in eine Situation bringen, die er nicht bewältigen kann. Auch Schmerzreize und andere Angst machende Methoden sollten auf keinen Fall Anwendung finden, oder Futterentzug, damit der Hund wieder reagiert. Ein Trauma mit einem anderen eventuell sogar Trauma auslösenden Reiz zu bewerkstelligen, grenzt an Perversion und Quälerei.

Warum scheinen gequälte und bestrafte Hunde ihren Besitzer trotzdem bedingungslos zu lieben?

Dieses psychologische Phänomen ist so verbreitet, dass es Stockholm-Syndrom genannt wurde, benannt nach einem Vorfall am 23. August 1974 in Stockholm, wo sich die Geisel in ihren Entführer und Peiniger verliebt hat.

Auch wenn es irrational erscheint, Gefühle der Liebe für einen Partner zu haben, der einen wiederholt schlecht behandelt, so ist es dennoch weit verbreitet und kommt öfter vor als man glaubt.

Stockholmsyndrom darf niemals mit guter Bindung verwechselt werden. Diese ungesunde Bindung verstärkt sich, wenn die Bezugsperson zwischen Zuckerbrot und Peitsche wechselt - zu Hause der süße, liebe Wuffi, mit dem gekuschelt wird und Leckereien zugesteckt bekommt, und draußen geht's ab mit Leinenruck, Runter drücken und anderen Verunsicherungsmethoden, denen der Hund sich nicht entziehen kann. 

Eine gesunde Beziehung hat nur Bestand, wenn sie auf Vertrauen, Wertschätzung, Mitgefühl, Toleranz und Gleichwürdigkeit besteht.

Mit hunde-freundlichen Grüßen, Stephanie Küster