Freitag, 26. August 2016

Erlernte Hilflosigkeit


1967 wurde von dem amerikanischen Psychologen Martin Seligman und Steven F. Maier ein Experiment mit Hunden durchgeführt, um eine Erklärung dafür zu finden, warum Menschen aufgrund negativer Erfahrungen eine Einstellung entwickeln, hilflos zu sein, obwohl sie es eigentlich gar nicht wären. 

Erlernte Hilflosigkeit - das Experiment 

"Die Hunde wurden in drei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe der Hunde wurden Elektroschocks zugefügt, die sie durch das Betätigen eines Hebels abwenden konnten. Der zweiten Gruppe der Hunde wurden ebenfalls Elektroschocks zugefügt. Sie hatten anders als ihre Artgenossen aus der ersten Gruppe jedoch keine Chance, selbigen zu entgehen. Mit der dritten Gruppe der Hunde geschah vorerst nichts. In der zweiten Phase des Experiments wurden allen Hundegruppen Elektroschocks zugefügt, und alle Hunde hatten die Möglichkeit, sich durch den Sprung durch ein Fenster „in Sicherheit“ zu begeben. Dabei stellte sich heraus, dass die Hunde aus der ersten Gruppe sehr rasch fliehen konnten. Die Hunde aus der dritten Gruppe brauchten zwar ein wenig länger, um zu verstehen, wie sie die Elektroschocks abwenden konnten, jedoch entgingen auch sie der Gefahr sehr bald. Lediglich die Hunde der zweiten Gruppe blieben lethargisch an Ort und Stelle und unternahmen keinerlei Versuche, den Schocks zu entgehen. Taten sie es doch, so benötigten sie hierfür immens viel Zeit." (https://de.wikipedia.org/wiki/Erlernte_Hilflosigkeit)


Selbstregulation sollte im Mittelpunkt des Hundetrainings stehen. Nicht nur für den Hund, sondern auch für den Menschen. Fühlen wir uns alle wohl, ist Stress gut zu bewältigen und Neues kann gut und schnell erlernt werden. 

Wird Aufregung / Erregung zu stark, und wir können sie nicht mehr modulieren, fühlen wir uns gestresst, unruhig, nervös und einfach unwohl. 



Anspannung findet oft Ausdruck in hektischem Aktionismus: 
  • Hunde werden unruhiger, ziehen vermehrt, springen hoch, beißen in die Leine, geben Laute von sich, jagen alles was sich bewegt uvm. 
  • Menschen versuchen sich zusammen zu reißen, aber Stress findet auch hier seinen Weg. Wir fangen an, mehr zu reden oder schweigsamer zu sein, vermehrte Aggressionen oder Depressionen / Ängste machen sich breit. Zigaretten anzuzünden, etwas trinken oder essen hilft uns auch, zumindest kurzfristig, uns auf ungesunde Art und Weise zu regulieren. 

Warum ist es so schwierig, neue Dinge zu erlernen und dran zu bleiben?

Weil es einfach so bequem ist, ohne nachzudenken, Dinge zu erledigen. 

Je länger ein Hund Dinge auf die eine Art und Weise tut, umso mehr verknüpfen sich die neuronalen Strukturen im Kopf. Es entwickeln sich erst kleine Bahnen, die dann zu Wegen werden, dann zu Straßen und letztendlich wie Autobahnen existieren.

Versuchen wir jedoch einem Hund etwas Neues zu beizubringen, so sind uns diese gut angelegten Autobahnen oftmals im Wege. Denn ich muss eine günstige Gelegenheit kreieren und schnell reagieren, damit der Hund nicht in sein alt bewährtes Muster hinein fällt. Diese Spaziergänge können anstrengend sein, da man sich sehr konzentrieren muss, um diesen noch holprigen Weg zu gehen. Das schaffe ich nur, wenn ich mich auf den einen Weg konzentriere und langsam voranschreite. 

Bin ich zu schnell, wäre das so, als ob ich versuchen würde, von der Autobahn auf einen Feldweg abzubiegen.


Dass ein Hund ein neues Verhalten erlernt und integriert hat, lässt sich daran erkennen, dass er ein neues Verhalten von sich aus zeigt.


Je öfter sich ein Hund auf eine bestimmte Art verhält, umso mehr wird er dieses Verhalten verinnerlichen und darauf zurück greifen.

Möchte ich also ein neues Verhalten bei einem Hund aufbauen, so geht das nur Schritt für Schritt, bis keine Unterstützung mehr benötigt wird. Das Ziel sollte auch immer sein, dass irgendwann der Hund ohne unsere Hilfe zurecht kommt. Gutes, selbstbewusstes Verhalten hat nichts damit zu tun, dass unser Hund selbständiger wird. Im Gegenteil, um wirkliche Nähe zu erleben, muss man erst loslassen können. 




Eine vernünftige Regel lautet hier: 


"So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich helfen". 


Hundetraining ist demnach nichts für Menschen, die keine Geduld haben und nicht gerne Lernen und Ausprobieren. Schnelle Lösungen gibt es bei Verhaltensänderungen nicht. Nur Management Maßnahmen, Geduld und Freude am Lehren und Lernen. 

Mit hunde-freundlichen Grüßen, Stephanie Küster



Freitag, 12. August 2016

Berührungen transportieren Emotionen

Die Haut ist das größte Sinnesorgan unseres Körpers. So können wir Wärme, Kälte, Feuchtigkeit, Druck, Bewegungen und Berührungen spüren.

Jeder Kontakt mit der Haut reizt die Nerven und ruft daher bestimmte Emotionen hervor, denn Berührungen können Ausdruck von Nähe, Zuneigung, Anziehung, Sympatie, Vertrauen und Bedrohung sein. 

Daher ist es wichtig, besonders bei den ersten Berührungen, eine gewisse Distanz zu wahren, und nicht die Berührungsbarriere zu schnell zu überwinden. Denn viele Hunde mögen es überhaupt nicht, zu früh und zu plump körperlich berührt zu werden. 

Berührungen jeglicher Art sind in der Tat etwas sehr intimes, und werden daher in unterschiedlichen Situationen, von unterschiedlichen Lebewesen, zu unterschiedlichen Situationen als angenehm oder unangenehm bewertet. 




Wenn mich jemand fragt, insbesondere ein Kind, ob es meinen Hund streicheln darf, lautet meine Antwort in der Regel: "Lass uns doch mal den Hund fragen." Kinder verstehen das sehr gut, denn besonders wenn sie noch klein sind, werden sie von so vielen Verwandten und Bekannten angefasst, gedrückt, hochgehoben und geknuddelt, dass sie diese Grenzüberschreitung sehr gut nachvollziehen können und wissen, wie es sich anfühlt, Dinge über sich ergehen lassen zu müssen.


Jemanden ständig anfassen zu müssen ist mindestens genauso verhaltensauffällig, wie jemanden nie berühren zu wollen. 

Von Natur aus sind soziale Lebewesen, Menschen sowie Hunde, auf Nähe aus. Der Beweis ist schnell erbracht, denn die Sterblichkeitsrate schießt immens in die Höhe, wenn Welpen und Menschenbabys nur "versorgt", aber nicht umsorgt werden.


Körperkontakt ist also lebensnotwendig!

Wieso passiert es jedoch immer wieder, dass einige Hunde sowie Menschen auf Nähe mit Distanz vergrößernden Maßnahmen reagieren? In der Regel deswegen, weil vorher jemand mit ihnen zu weit ging. Jedes Lebewesen verfügt über eine sogenannte Individualdistanz, die Distanz, in der man sich wohlfühlt. Wird diese Individualdistanz unterschritten, wird ein Hund mit Flucht, Meide- oder gegebenenfalls mit Angriffsverhalten reagieren.

Wir sollten öfter einfach nur mal ruhig stehen bleiben, uns abschnüffeln lassen und warten bis der Hund wieder geht. 


Keine Erwartungen, Wünsche und Forderungen an ein Gegenüber zu haben, lässt Misstrauen schwinden und Vertrauen wachsen.

Das Berührungen Emotionen transportieren können zeigten zwei Experimente:
  • In dem ersten Experiment von James Coan , wurden 16 verheiratete Frauen mit Elektroschocks bedroht, während sie die Hand des Ehemannes oder eines Fremden hielten oder auf sich alleine gestellt waren. Am wenigsten bedroht fühlten sich die Frauen, wenn sie die Hand ihres Mannes hielten. Sogar das Gehirn zeigte dann am wenigsten Reaktionen.
  • Das andere Experiment von dem US-Psychologen Matthew Hertenstein sollte beweisen, dass nur durch Berührungen verschiedene Emotionen wie Dankbarkeit, Ekel oder Liebe vermittelt werden können. Hierzu sollte die Versuchsperson einen Fremden, der die Augen verbunden hatte, berühren. In 70% aller Fälle gelang das Experiment. 
Da Hunde noch feinfühliger als Menschen sind, kann man davon ausgehen, dass sie jeden noch so kleinen Gedanken spüren können.


Bei Aufregung und Stress laufen viele Vorgänge im Körper ab. Die Haut betreffend führt die Kontraktion der Haarbalgmuskeln zur Aufrichtung der Haare, der sogenannten Gänsehaut. Die Körpertemperatur steigt an, und dadurch werden die notwendigen chemischen Reaktionen im Körper beschleunigt. Auch Muskeln erfahren eine Leistungssteigerung. Andererseits muss durch vermehrte Produktion von Schweiß einer Überhitzung entgegengewirkt werden. Die Haut leistet in solchen Momenten Höchstleistung. 

Aufgrund dieser Symptome ist es oftmals das Beste, einen Hund in solchen Momenten besser nicht zu berühren. Unsere eigene Unruhe wird sonst explosionsartig auf den Hundekörper übertragen und wirkt kontraproduktiv.  Es sei denn, man ist wie "ein Fels in der Brandung", dann kann durch ruhiges Hände auf den Körper legen, ein Hund ruhiger werden. 

Überlassen wir im Zweifelsfall unserem Hund die Entscheidung, ob und wie viel Nähe er braucht und ihm gut tut.


Mit hunde-freundlichen Grüßen, Stephanie Küster


Donnerstag, 4. August 2016

Traumatisierte Hunde

Tierversuche spielen in der Psychologie seit jeher eine wichtige Rolle, weil deren neurologische Strukturen dem der Menschen sehr ähnlich sind.

Einfache Reaktionen z.B. körperliche Reaktionen auf Stress oder ganz einfache Lernprozesse, lassen sich schon an Mäusen und Ratten studieren, wohingegen komplexere Reaktionen (komplexe Lernprozesse oder soziale Verhaltensweisen) an höher entwickelten Säugetieren (Affen, Hunden, Katzen) untersucht werden. 
Die wohl bekanntesten Experimente mit Hunden sind:

  • Erlernte Hilflosigkeit von Martin Seligman
  • Pawlowscher Hund - klassische Konditionierung von Iwan Petrowitsch Pawlow
  • Voice - Sensitive regions in the Dog and Human Brain
Mögen diese Tests auch noch so umstritten sein, so zeigt es sich, dass die Psychologie eines Hundes zu bahnbrechenden Erfolgen in der Psychologie des Menschen geführt hat. Mal abgesehen von der Sprache und den moralischen Vorstellungen, lässt sich für mich daraus ableiten, dass

Gefühle und Reaktionen eines Hundes denen eines Menschen nahezu identisch sind.


Der einzige Unterschied besteht darin, dass Hunde Emotionen nicht bewerten und als gut oder schlecht bezeichnen. 

Diese Information ist sehr wichtig, besonders wenn man mit emotional auffälligen Hunden zu tun hat. Sei es ein Hund der Aggressionen auslebt, sowie ängstlichen Hunden. Aggressive Hunde lassen uns oft wütend und frustriert werden, wohin gegen ängstliche Hunde sehr oft Mitleid in uns Menschen hervorrufen. Und das ist für viele schwer auszuhalten.

Mitleiden und auf Aggressionen mit Gegenaggression zu reagieren, sind nur leider die schlechtesten Voraussetzungen, einen Hund zu stabilisieren. 


Ein Körper ist wie eine Datenbank, in dem die gesamte Vergangenheit gespeichert ist. Egal wie lange etwas her ist, der Körper wird sich immer wieder daran erinnern.

Gefühle bleiben so lange, bis sie nicht mehr benötigt werden, bis die Gefahr vorüber ist. War ein Erlebnis zu schnell, zu massiv oder zu plötzlich, dann wurden alle Bewältigungsmechanismen weit überfordert, und der Körper konnte das Erlebnis nicht verarbeiten. Dadurch bleiben diese Energien im Körper und werden beim nächsten Ereignis wieder zum Leben erweckt (Trauma Reaktivierung), oder die Erregung bleibt im Körper und der Körper erkrankt. Denn wie schon der Biophysiker und Psychologe Dr. Peter Levine sagte: 

"Trauma entsteht nicht im Ereignis, sondern im Nervensystem." 


Natürlich kann man kurzfristig mit bestimmten Methoden einen Hund durchs Leben führen (Clickern, Markern, Benennen...) oder dadurch einen "Fuß in die Tür bekommen", jedoch wird es über kurz oder lang immer wieder dazu kommen, dass das Stammhirn alles Erlernte überschreibt und der Körper instinktiv reagiert. D.h. es werden Reaktionen eingeleitet, bevor sich der Neocortex die Situation in Ruhe anschauen und beurteilen kann. 

Wenn ein Hund z.B. gelernt hat, dass sein Handeln Einfluss auf das Beenden einer für ihn negativen Situation hat, dann wird er sich bei erfolglosen Situationen hartnäckiger verhalten als ein unerfahrener Hund. 


Das sind für mich die einzigen Gründe, warum ein Hund Aggressionen einsetzt, weder aus Dominanz- oder Rangordnungsgründen, noch aus Spaß am Beißen, oder aus Jux und Dollerei, sondern einzig und allein, um sich zu schützen. 

Daher ist langsames Vorgehen und Geduld das A und O im Training, damit sich ein neues Verhalten etablieren kann.

Es ist wichtig, eine Möglichkeit zu finden, dem traumatisierten Hund zu helfen und ihn zu regulieren, ohne ihn wieder in eine für ihn traumatische Belastung zu schicken. Daher sollte es im Training nicht dazu kommen, dass sich ein unerwünschtes Verhalten immer wieder zeigen kann. 

Auch ist es fatal zu glauben, den Hund nur noch in bestimmten Stresssituationen zu füttern, nach dem Motto "wenn er nur genug Hunger hat, dann wird er es schon tun". Fressen ist überlebenswichtig, und es macht überhaupt keinen Sinn, ein Trauma mit einem anderen behandeln zu wollen. 


Es braucht Zeit, Geduld, Sicherheit und jemanden, der für uns da ist!

Ein gesunder Hund hat Spaß am Leben und die Neugier bringt sie dazu, dass Leben zu erkunden. Sollte eine Gefahr im Anzug sein, so wird ein Hund immer versuchen, dieser auszuweichen, denn ein unnötiger Kampf wäre pure Energieverschwendung, welche benötigt wird, um an Nahrung zu kommen. Wenn ein Hund seine gewohnte Umgebung nicht verlassen und nicht spazieren gehen will, so sollte man immer hellhörig werden. 

Schmerzen verursachen Gehirnwäsche, und daher sollte bei unklarer Ursache der Angst immer an Krankheiten gedacht und professionelle Hilfe zu Rate gezogen werden.

Angst ist ein ernst zunehmendes Gefühl und sollte nicht überspielt oder ignoriert werden. Das macht es in der Regel nur noch schlimmer. 

Es ist wichtig, dass ein Hund lernt, sich wieder sicher zu fühlen. Daher sollte man in einer Umgebung anfangen, in der sich der Hund sicher fühlt und lernen kann. Verschiedene Körperbewegungen und Körpertherapien helfen, damit sich ein Hund wieder sicher in seiner eigenen Haut fühlt. Um jedoch voran zu kommen ist es unumgänglich, dass ein souveräner Mensch und / oder Hund bei der Begleitung hilft, den traumatisierten Körper und Geist zu regulieren. 




Mit hunde-freundlichen Grüßen, Stephanie Küster